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Solartechnikerinnen bringen Licht in die entlegenen Dörfer Sansibars

Von Kizito Makoye

KENDWA, Tansania (IDN) – Nach Einbruch der Dunkelheit beenden Natasha Mahmood und ihr Bruder im spärlichen Schein einer Petroleumlampe ihre Hausaufgaben. Bald wird die Mutter die Flamme löschen, um Petroleum einzusparen. 

“Ich gebe mir Mühe, früher fertig zu werden, doch das klappt nicht immer”, berichtet Mahmood, während ein aus der Lampe aufsteigender Rauchfaden in einem rußgeschwärzten Kamin abzieht. “Es kommt vor, dass mir meine Lehrerin eine Strafe aufbrummt, weil ich meine Hausaufgaben nicht geschafft habe.”

Jahrelang hatte die14-jährige Schülerin der Dimbani-Grundschule in der Ortschaft Kendwa im Norden Sansibars ihre Mutter bekniet, eine Lampe zu kaufen, die weniger rußt. Denn von dem Qualm muss sie niesen. Doch ein Gespräch mit dem Vater, der in Familiendingen das alleinige Sagen hatte, wurde immer wieder aufgeschoben.

Bald wird Mahmoods Wunsch in Erfüllung gehen: Eine Gruppe von Solartechnikerinnen hat Mahmoods Vater von den Vorteilen überzeugt, die mit der Anschaffung einer Mini-Solar-Anlage einhergehen. Installation und Wartung kosten die Familie drei US-Dollar im Monat. “Ich freue mich schon sehr darauf, im Licht einer Solarlampe zu arbeiten. Dann müssen wir auch nicht mehr den giftigen Rauch einathmen”, freut sich Mahmood.

Obwohl Sansibar, ein für seine Gewürze bekannter Inselarchipel im Indischen Ozean, zu den beliebtesten Reisedestinationen zählt, lebt die Hälfte der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze und ist von der Stromversorgung abgeschnitten. Ein Spaziergang von den strandnahen Fünf-Sterne-Hotels zu den umliegenden Dörfern verdeutlicht die dramatische Kluft zwischen Reich und Arm.

Ein Projekt mit Breitenwirkung

Sonnenenergie eignet sich nicht nur dazu, die von der öffentlichen Stromversorgung abgeschnittenen Gebiete zu beleuchten. Sie trägt auch zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen bei. Außerdem verschafft sie Frauen im männerdominierten Sansibar Beschäftigungs- und Einkommensmöglichkeiten, wie Experten des ‘Barefoot College‘, einer in Indien ansässiigen Hilfsorganisiation zur Förderung von Frauen in Ostafrika, betonen.

Nur 24 Prozent aller Tansanier sind nach Angaben des nationalen Energieministeriums an das öffentliche Stromnetz angeschlossen. Frauen zu befähigen sei ein guter Weg, ihnen bei der Entfaltung ihres Potenzials zu helfen und ihnen in Entscheidungsfragen mehr Mitsprache zu verschaffen, meint Malik Khamis vom Sansibarischen Ministerium für Empowerment, Soziale Wohlfahrt, Jugend, Frauen und Kinder.

Das Barefoot College verfolgt das Ziel, Frauen über die Vermittlung von Fachwissen aus der Armut zu befreien. Es arbeitet eng mit den sansibarischen Dorfältesten zusammen, die die Hilfsorganisation bei der Suche nach passenden Kandidatinnen unterstützen. Die auserwählten Frauen verfügen in der Regel über tiefe Bindungen zu ihren Dörfern und können selten lesen und schreiben. Das Projekt soll die wachsenden Bedürfnisse armer Frauen des ländlichen Raums  stärken, die in einer männerdominierten Gesellschaft kaum Chancen auf bezahlte Arbeit haben.

Khamis zufolge ist es üblich, dass die Mitglieder lokaler Gemeinschaften gebeten werden, zwei Frauen im Alter zwischen 35 und 55 auszuwählen, damit sie fern ihrer Familien im Verlauf von fünf Monaten zu Solartechnikerinnen ausgebildet werden.

Licht in 1.000 Haushalten

Wenn sie ihre Ausbildung abgeschlossen haben, kehren sie heim und arbeiten als Solartechnikerinnen. Für ein Monatsgehalt von 60 Dollar installieren und warten sie kleine Sonnenenergieanlagen. Sie haben inzwischen mehr als 1.000 Haushalten in Sansibar zu Strom verhofen, heißt es von Seiten der Hilfsorganisation. 

Ali Hemed Mabrouk arbeitet in Kendwa als Schneider. Abends näht er im Licht einer LED-Lampe. Der Strom stammt aus einer Batterie, die mit einer Solarzelle auf dem Dach seines Wohnhauses verbunden ist. Die helle, saubere und sichere Stromversorgung ist halb so teuer wie das Petroleum, das er früher für  Beleuchtungszwecke verwendete.

Der Zugang zu Solarenergie ist für den 51-jährigen Vater von sechs Kindern ein Segen. Da er nun auch abends arbeiten kann, hat sich das Familieneinkommen um mehr als zehn Dollar im Monat erhöht. “Kein Strom bedeutet verpasste Gelegenheiten. Deine Kinder lernen im Licht von Petroleumlampen, werden krank und du musst am Ende dafür bezahlen, dass sie wieder gesund werden”, erläutert Ali.

Nach Ansicht von Abu-Bakr Khalid Bakar, einem lokalen Mitarbeiter des Barefoot College, ist die Ausbildung von Frauen zu Solartechnikerinnen die beste Form der Armutsbekämpfung und des Klimaschutzes.

Husna Husein Makame, Witwe und dreifache Mutter, hat allen Grund stolz auf sich zu sein, denn sie kann ihre Familie allein ernähren. Über mehrere Monate hatte sie sich für ihr Dorf zur kommunalen Solartechnikerin ausbilden lassen. Inzwischen verfügt sie über ein eigenes Einikommen. Und nicht nur das: Seitdem sie an der Solar-Energie-Initiative mitwirkt, hat sich ihr gesellschaftliches Ansehen in ihrem Dorf erheblich verbessert.

“Die Teilnahme an dem Unterricht hat wirklich Spaß gemacht, und nun ernte ich den  Lohn meiner Mühen”, unterstreicht sie. Dem Barefoot College sei es zu verdanken, dass sich der Zugang zu Strom in den entlegenen Dörfern deutlich verbessert habe.

“Vorher hattet ich gesellschaftlich nicht viel zu melden”, erinnert sich Makame. “Doch seit ich mich weitergebildet habe und mein Wissen vergrößern konnte, nennen mich hier alle ‘Mhandisi’ (Swahili für ‘Technikerin’) – [IDN-InDepthNews – 6. Juni 2019]

Foto: Mariam Kassim Salum aus dem Dorf Kizimkazi im tansanischen Sansibar lädt ihr Telefon über eine kleine Solaranlage auf. Mit freundlicher Genehmigung des Barefoot College

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