Von Joan Erakit
NEW YORK (IDN) – Es gibt eine berühmte Bibel-Passage, welche auf die unglückselige Verwandtschaft von Geschwistern hinweist: ein Kind wird von Gott nach seinem Bruder gefragt, den es zu der Zeit schon getötet hat und es leugnet die Zugehörigkeit, indem es zurückfragt: „Bin ich meines Bruders Hüter?“ Einige mögen das Gleichnis von Kain und Abel so interpretieren: Als Menschen sind wir von Geburt an Brüder, die aufeinander achten sollten, es sind jedoch Umstände entstanden, die uns gegeneinander aufgebracht haben. Am Ende ist es die Religion, die dazu berufen ist, die Verpflichtung zu festigen, Menschen mit verschiedenen Hintergründen und Gesichtspunkten auf dieselbe Seite zu ziehen.
So fand die Religion – ein oft komplexes Thema innerhalb politischer Arenen – ihren Weg in das Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York für ein politisches Gremium, in dem die religiösen Führer hinsichtlich des Friedensprozesses im Nahen Osten eine Rolle spielen.
Mit Unterstützung der spanischen Regierung, vertreten durch den Minister für auswärtige Angelegenheiten und Zusammenarbeit, Alfonso Maria Dastis, und der ‘United Nations Alliance of Civilizations’ (UNAOC) unter der Leitung des Hohen Vertreters, Nassir Abdulaziz Al-Nasser, trafen religiöse Führer aus Israel und Palästina am 18. Juli 2017 bei der UN zusammen und verteidigten und forderten ihren Platz beim Friedensbildenden Prozess und betonten die Notwendigkeit, dass die Vereinten Nationen offiziell anerkennen, dass die Religion nicht mehr aus dem israelisch-palästinensischen Konflikt herausgehalten werden kann.
Vertreter der drei Monotheistischen Glaubensrichtungen in der Region – Christentum, Islam und Judentum – nahmen an dem Treffen in New York teil und als sichtbare Unterstützung klinkte sich der UN-Generalsekretär, Antonio Guterres, in die Diskussion ein.
Seine Überlegungen gab er in einem vollbesetzten Raum ab, der auch die folgenden geschätzten Gremium-Mitglieder umfasste: Sheikh Raed Badir, Mitglied des Palästinensischen Ulama-Rates, Patriarch Theophilos III (der Dritte) von Jerusalem, Patriarch der Heiligen Stadt Jerusalem und des gesamten Palästina, von Syrien und dem Gebiet jenseits des Jordan-Flusses, Dr. Adina Bar Shalem, Gründer und Präsident des Haredi College in Jerusalem, Rabbi Avraham Giesser, Rabbi von Ofra, Ratsvorsitzender des Staatlichen Religiösen Erziehungs-Systems von Israel und Rabbi Michael Melchior, dem Rabbi der Gemeinde Jerusalem und Präsident der Mosaischen Religiösen Friedens-Initiative.
Unglücklicherweise konnte Sheik Imad Abed Al-Hamid Al-Falouji, Vorsitzender des Adam-Zentrums für den Dialog der Zivilisationen in Palästina und ein Mitstreiter des Rabbiners Melchior, aufgrund unvorhergesehener Umstände kein Visum für die USA erhalten und trat daher der Diskussion per Videokonferenzschaltung bei.
„Das Heilige Land hat einen besonderen Platz in den Herzen von Menschen auf der ganzen Welt“, sagte Guterres und später fügte er noch hinzu: „Mit jedem Tag wächst die Frustration und verringert sich die Hoffnung, weil die Perspektive einer friedlichen Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts entfernter denn je erscheint.“
Die Worte des Generalsekretärs wurden gut aufgenommen, angesichts dessen, dass die versammelten Sprecher gemeinsam einige Zeit in Spanien verbracht hatten, anlässlich der „Alicante Deklaration“ (Alicante Declaration), einem Gipfeltreffen für den religiösen Frieden im Mittleren Osten, der von der spanischen Regierung und dem UNAOC im November 2016 veranstaltet wurde.
Die Erklärung wurde als Beweis dafür ausgewiesen, dass religiöse Führer aus allen drei monotheistischen Glaubensrichtungen sich als Partner betrachten und Verantwortung übernehmen werden, eine friedliche Ko-Existenz unter ihren Anhängern zu schaffen. Genauer gesagt heißt es: „Wir fordern vehement die Beendigung der Aufhetzung, Falschdarstellung und Verzerrung des Bildes des Anderen und des Nächsten. Wir verpflichten uns, zukünftige Generationen dazu zu erziehen, den gegenseitigen Respekt zu wahren. Ausgehend von den religiösen Traditionen und dem Verständnis dessen, was für unsere Gemeinschaften und Völker am besten ist, fordern wir eine Lösung, die das Recht der beiden Völker anerkennt, in Würde zu leben.
Die Bedeutung dieser Aussage wird unterstrichen durch die Tatsache, dass der israelisch-palästinensische Konflikt den Mittleren Osten – und in der Tat die ganze Welt – seit Jahrzehnten beunruhigt hat und dass Gruppen und Einzelpersonen auf beiden Seiten des Zauns verschiedene Initiativen zur Vermittlung einer Lösung unternommen haben, obwohl fast immer vergeblich.
Dennoch, wie Al-Nasser betonte, hat die Religion in ihrem Kern die Macht, Menschen zu beeinflussen. „Wir sind fest davon überzeugt, dass Religion nicht die Quelle des Problems ist. Im Gegenteil, Religion kann ein Teil der Lösung sein.“
Daher, aufgrund der Bemühungen, einen neuen Weg anzubieten, bei dem Mediation helfen soll, ist die UNAOC mit der Situation unterschiedlich umgegangen, indem sie mit religiösen Führern beider Konflikt-Seiten zusammenarbeitete, in der Hoffnung, ihnen einen Platz am Tisch der Friedensbildenden Gespräche zu sichern.
„Die Allianz ist eines der führenden Organisationen der Vereinten Nationen, die den interreligiösen und interkulturellen Dialog fördern. Wir erkennen, dass der Frieden nicht durch die Bemühungen der Politiker allein erreicht werden kann. Aus diesem Grund schätzen wir die Partnerschaft und das Engagement verschiedener Akteure, wie der Zivilgesellschaft, des Privatsektors, der Wissenschaft und vor allem der religiösen Führer und Glaubensorganisationen“, fügte Al Nasser hinzu.
Angesichts der Tatsache, dass religiöse Führer dazu da sind, um denen, die Trost und Verständnis bei ihnen suchen, Orientierung zu geben und weil ihr Status in der Gesellschaft dahin tendiert außerordentlich schwerwiegend zu sein, ist es nur passend, dass sie eine wichtige Rolle spielen bei der Gestaltung der spirituellen Reisen der Menschheit – ganz besonders wenn es zu Konflikten kommt.
Ob es sich um die leidenschaftlichen Worte von Al-Falouji handelte, der per Videokonferenz seine persönliche Erfahrung der Arbeit über religiöse Grenzen hinaus mitteilte, oder um die poetischen Worte des Patriarchen Theophilos, die zuversichtlich Jerusalem als Das gemeinsame Zuhause von Juden, Christen und Muslimen bezeichneten – eine Sache war sicher: Religion ist ein politisches Instrument und in diesem Falle eins, mit dem man versucht, eine Brücke zum Frieden zu bauen zwischen zwei historisch betrogenen Seiten.
„Wie ich kontinuierlich betont habe, ist die Zwei-Staaten-Lösung der einzige Weg um sicherzustellen, dass Palästinenser und Israelis ihre nationalen und historischen Bestrebungen erkennen und in Frieden, Sicherheit und Würde leben. Die Ausweitung der illegalen Siedlungen oder Gewalt oder Aufwiegelung untergraben diese Perspektive“, sagte Guterres.
Mit aller Offenheit sprechend, forderte der Generalsekretär die religiösen Führer in der Zuhörerschaft auf, von der Gelegenheit nicht abzulassen, wofür die Erzählungen über ihre anerkannten Glaubensrichtungen geändert werden mussten – Erzählungen, die durch Extremismus und Radikalisierung verzerrt wurden. Stattdessen war es seine feierliche Bitte, dass lokale und regionale religiöse Führer ihren Einfluss nutzen sollten, um Botschaften des Friedens, der Entschlossenheit und Gemeinsamkeit unter ihren Gläubigen zu fördern.
Indem Guterres die Kernwerte aller drei monotheistischen Glaubensrichtungen ansprach, ungeachtet der beiden Konfliktlinien, die durch die religiöse Friedensinitiative laufen, zeigte er sich überzeugt, dass ein Dialog zumindest begonnen werden könne.
In der Theorie ist dies ein vielversprechender Wunsch, der sich hoffentlich so auswirkt, wie der Generalsekretär es erhofft. In der Praxis wird ein konkreter Aktionsplan nötig sein, der nicht nur religiöse Führer in ihren Gebieten für ihre Erklärungen verantwortlich macht, sondern ihnen auch den Aufbau von Aufnahmefähigkeit, das Instrumentarium und den Spielraum zur Verfügung stellt, um solche Dialoge unter ihren Anhängern in Gang zu bringen.
„Wir sind fest davon überzeugt, dass Religion nicht die Ursache des Problems ist. Im Gegenteil, die Religion kann Teil der Lösung sein“, schlussfolgerte Al-Nasser.
Im Tagungsraum im UN-Hauptquartier dabei, konnte man nicht umhin, die Stimmung der Dringlichkeit wahrzunehmen, von der die Diskussionsteilnehmer eingenommen waren, um sich in den Aufbau des Friedensprozesses einzubringen – alle waren sorgfältig vorbereitet auf leidenschaftliche Statements zu einem Leben ohne Konflikte in Mittleren Osten. „Ein Traum“, wie Rabbi Melchior es ausdrückte.
Nach einem fruchtbaren Gipfeltreffen in Spanien und einem produktiven Treffen bei den Vereinten Nationen muss die Koalition religiöser Führer, die bereit ist, Muslime, Christen und Juden zusammenzubringen, sich darauf vorbereiten, nicht nur eine bindende Botschaft zu entwickeln, sondern auch eine Methode des Dialogs, die alle drei Glaubensrichtungen anspricht, sodass Männer, Frauen und Kinder fühlen, dass sie eher so aufeinander schauen, dass sie ihres Bruders Hüter sind statt sein Feind. (IDN-InDepth-News – 21. Juli 2017)
Foto: Religiöse Führer aus Israel und Palästina auf einem Bild mit UN-Generalsekretär Antonio Gterres (6. von links) und dem UNAOC Hohen Vertreter Nassir Abdulaziz Al-Nasser (6. von rechts)
Quelle: UN-Foto
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